
Man hat mich gebeten, über eine Erfahrung zu berichten, die vermutlich auch mancher Christ macht und die in das Bild eines von Gott geführten Lebens nicht passen will: die Erfahrung einer zerbrochenen Beziehung.
Unsere Freundschaft begann im Jugendbibelkreis unserer Gemeinde, der sich als gemischter Kreis nach der Konfirmation gebildet hatte. Er war damals für eigentlich alle Teilnehmer ein Stück Zuhause. Und nach einer gewissen Zeit entwickelten sich mehrere Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen, so auch unsere. Ganz langsam begann das bei meinem Freund und mir, wir waren gern zusammen, konnten bei den Gesprächen kein Ende finden - wie das eben so läuft. Ich denke, dass ich damals diese Beziehung stärker forcierte als er, ich wollte sie und zog ihn ein Stück mit.
Meine Schulzeit endete ein Jahr früher als seine, so dass es Abschied nehmen hieß. Da mein Studienort sehr weit entfernt lag, sahen wir uns recht selten, schrieben Briefe und freuten uns auf die Semesterferien. Auch als er mit dem Studium begann, waren wir weiter durch große Entfernung getrennt. Trotzdem entwickelte sich unsere Freundschaft weiter. Nach drei Jahren endlich konnten wir am gleichen Studienort studieren und erlebten eine sehr intensive Zeit zusammen, in der wir uns auch verlobten. Als mein Studium sich dem Ende zuneigte, ergab es sich natürlich, dass wir über das Heiraten nachdachten. Wir beschlossen, vor dem Beginn der zweiten Ausbildungsphase bei mir zu heiraten (das hieß in etwa einem halben Jahr), und teilten das auch den Eltern mit.
In den letzten Semesterferien vor meinem Abschluss befand ich mich bei meinen Eltern, und wir telefonierten wie gewohnt miteinander. Und bei einem dieser Telefongespräche spürte ich, dass etwas sehr Entscheidendes nicht in Ordnung war. Ich fuhr so schnell wie möglich zu ihm. Er eröffnete mir, dass unsere Beziehung nach Erkenntnissen, die er über sich gewonnen habe, so nicht weitergehen könne. Für mich drohte eine Welt zusammenzubrechen. Wie einen Strohhalm hielt ich die Hoffnung fest, dass sich alles doch wieder einrenken könnte. Ich war bereit, ziemlich viel zu investieren. Aber er war dazu nicht bereit, und so zerbrach unsere Beziehung nach acht Jahren, ein halbes Jahr vor unserer Hochzeit.
Für mich zerbrach damit die Welt, in der ich acht Jahre lang zunehmend intensiv gelebt hatte. Ich hatte das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen. Ich war es doch so gewohnt, mein Leben „zu zweit“ zu gestalten und zu planen - wie sollte das plötzlich allein gehen? Aber schlimmer noch waren der Schmerz und die Beschämung über dieses Ende. Ich hatte ihn doch geliebt - und jetzt dieser Bruch! Hatte ich mich selbst so sehr getäuscht? Wie hatte er mich so täuschen können? Hatten wir uns nicht in der Gewissheit verlobt, die Heirat beschlossen, dass Gott uns zusammenstellt? Hatten wir nicht regelmäßig gebetet, nach Gottes Willen gefragt? Was war da falsch?
In den ersten Tagen nach diesem Gespräch war ich nicht in der Lage zu beten. Ich konnte dieses Geschehen in mein Leben mit Gott nicht einordnen. Sehr dankbar bin ich, dass damals Freunde für mich vor Gott einstanden und einfach liebevoll da waren. Die erste Zeit lebte ich wie betäubt. Jedes Nachdenken schmerzte entsetzlich. Und doch spürte ich, dass Gott mir auf eine Weise nahe war, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
Als ich etwas ruhiger geworden war, begann ich, meine alten Tagebuchaufzeichnungen zu durchforsten. Vielleicht ließ sich daraus irgendein Schlüssel zur Einordnung, zur Erklärung finden. Hierbei fiel mir auf, dass mir trotz der Länge unserer Freundschaft die Entscheidung zur Heirat nicht leicht gefallen war. Und die Tagebuchaufzeichnungen drückten eigentlich bis zum Schluss eine gewisse Unruhe über dieser Entscheidung aus. Trotz ständigem Bitten darum hatte ich keinen wirklichen Frieden von Gott darüber bekommen. Ganz langsam dämmerte in mir die Erkenntnis auf, dass Gott mir durchaus schon mehrere Hinweise darauf gegeben hatte, dass diese Beziehung für uns beide nicht gut sei.
Ich erinnere mich zum Beispiel noch sehr gut daran, dass mir in der Tageslese ein Vers ins Auge gefallen war, den ich mir im ersten Augenblick als Trauspruch vorstellen konnte. Mose sagt zu Gott: „Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf.“ Aber schon im nächsten Moment hatte ich diesen Vers wieder verworfen. Was sollte der als Trauspruch? Jetzt aber wurde mir deutlich: Gott hatte mich darauf hinweisen wollen, dass sein Angesicht auf diesem Weg nicht vorangehen würde. Aber das hatte ich nicht wahrhaben wollen. Es wurde mir klar, dass ich diese Beziehung gewollt hatte, nicht Gott. Und ich war nicht wirklich bereit gewesen, auch ein Nein Gottes zu akzeptieren. Immer hatte ich nur Gottes Bestätigung für das Ja gesucht, für das Nein war ich taub gewesen. Gott hatte weiter gesehen. Diese Beziehung wäre für uns nicht gut gewesen. Und ich begann zu ahnen, dass Gott mich aus Liebe zu mir vor dieser Beziehung hatte bewahren wollen. Da ich auf seine Hinweise nicht hören wollte, musste er sie so brutal zerbrechen.
Im Rückblick musste ich mir zudem sagen: Du hast fünf Jahre studiert, fachlich viel gelernt, aber persönlich und geistlich bist du eigentlich nicht weitergekommen. Da du in diesem entscheidenden Punkt nicht bereit warst, wirklich Gottes Willen zu tun, konnte er dir auch in anderen Dingen nichts sagen, konnte dein wachsendes Wissen über sein Wort keine Umsetzung im Alltag, konnte das falsche Verhalten keine Korrektur erfahren. Zunehmend wurde mir bewusst, dass mich dieser eigene Weg Gott gegenüber und auch im Verhältnis zu anderen blockiert hatte. Diese Erkenntnis beschämte mich sehr. Doch ich durfte erleben, dass Gott mir vergab. Er schenkte mir einen neuen befreiten Anfang in der Beziehung zu ihm.
Trotzdem war damit die Wunde nicht sofort verheilt. Aber der Heilungsprozess hatte begonnen. Und ich durfte erleben, wie Gott mich in diesem Prozess Schritt für Schritt weiterführte. Froh war ich, dass das Ende des Studiums einen Ortswechsel mit sich brachte, sodass ich auch äußerlich neu anfangen konnte. Zunächst musste ich wieder lernen, allein zu leben, dazu noch im beginnenden Berufsalltag, ohne schützenden SMD-Hintergrund. Meinen Beruf lernte ich kennen und lieben, sowohl mit seinen Anforderungen und Schwierigkeiten als auch mit seiner Bestätigung, Freude und Anerkennung.
Intensiv bemühte ich mich um geistliche Gemeinschaft, vergeblich am Anfang in der Gemeinde, dann mit Erfolg im CVJM, später begann nach vielen entmutigenden Anläufen ein Mini-Hauskreis in der Gemeinde. Ich aktivierte mein Hobby, die Geigerei, wieder neu in einem Orchester, versuchte in einer Gymnastikgruppe Anschluss zu finden. Ich verbot es mir, mir einen Fernseher zu kaufen, um im Bemühen um neue Freunde nicht zu erlahmen. Ich lernte, auch einsame Stunden und Wochenenden zu füllen. Plötzlich hatte ich sehr viel Zeit zum Gebet, zur Verarbeitung auch all der neuen Erfahrungen im Beruf, Zeit für andere. Neu lernte ich es schätzen, meine Zeit ganz allein einteilen zu können, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Und so baute ich mir langsam einen neuen Lebensbereich auf, und die Wunde begann zu heilen.
Aber ein entscheidender Schritt geschah fast ein Jahr später auf einer Silvesterfreizeit. Im Jahresrückblick brach die Wunde noch einmal so richtig auf. Gottes Liebe zu mir hatte ich in den vergangenen Monaten langsam wieder sehen gelernt, aber eines konnte ich noch nicht: meinem ehemaligen Verlobten wirklich vergeben, dass er die Freundschaft beendet und mich doch so getäuscht hatte. Ich wusste, dass sich in mir in Gedanken daran mein Stolz sehr aufbäumte. Und solange das so war, musste die Wunde immer wieder aufbrechen. Gott zeigte mir, dass eine wirkliche Heilung nur möglich war, wenn ich diesen Stolz loslassen und vergeben konnte. Er schickte mir eine Freizeitteilnehmerin in den Weg, vor der ich das aussprechen konnte und die mir von Gott her half, vergeben zu können. Das war wohl der letzte entscheidende Schritt auf dem Weg zur Heilung.
Im Rückblick bin ich sehr dankbar, dass Gott mir gerade in diesem schmerzhaften Erlebnis seine Liebe zeigte und mich wieder zu einer intensiven Beziehung zu sich geführt hat. In den folgenden Jahren durfte ich erleben, dass er mich führte und mein Leben reich beschenkte durch seinen Frieden - auch ohne Partner. Gott ließ mich gerade im Alleinsein reifen und lehrte mich die völlige Abhängigkeit von ihm und das Vertrauen in seinen guten Weg mit mir. So lernte ich, mein Leben als Ledige anzunehmen und dafür von Herzen dankbar zu sein.
Nach etwa vier Jahren durfte ich einem Menschen völlig neu vertrauen lernen. Das erlebte ich als Wunder; ich habe nicht gedacht, dass das möglich sei. Gott hat mich meinen Mann kennen und lieben lernen lassen. Und es ist mir auch noch sehr wichtig, dass dies nicht aus einem Gefühl des Defizits heraus geschah (so nach dem Motto: Dem Leben als Ledige fehlt eben das Entscheidende, und deshalb muss irgendwo ein Partner her), sondern in dem Bewusstsein gerade eines erfüllten und von Gott reich beschenkten Lebens allein als Ledige. Ich denke, nur von dieser Basis her konnte ich wirklich erfahren, was es heißt, wenn Gott zwei Menschen Schritt um Schritt zusammenführt.
Auch da gab es Schwierigkeiten und Hindernisse, aber sein Friede begleitete jeden Schritt. Unsere Beziehung wuchs in der großen Freiheit zu Ja und Nein. In jedem Schritt aufeinander zu lag eine entscheidende Ehrlichkeit, in jedem Schritt in großer Verbindlichkeit zugleich die Freiheit des Einander-Loslassens vor Gott. Gemeinsame Tage auf Freizeiten und Gespräche mit anderen halfen uns dabei.
Und entscheidend wichtig für uns beide erwies sich die Erfahrung der tiefen Ruhe und des Friedens, der von Gott her unser Miteinander bestimmte. Wir brauchten einander nichts vorzuspielen; keine Verlustangst, kein Streben nach Macht über den anderen bestimmte unser gegenseitiges Verhalten. Jeder wusste den anderen Gott verantwortlich. Und Gott würde seinen guten Weg mit jedem von uns gehen, getrennt oder gemeinsam.
Und so stehe ich staunend vor Gottes Güte. Er kann auch aus unseren Fehlern Gutes machen. Seine Güte ist es, dass wir nicht gar aus sind. Und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.