
Als Stefan und ich uns kennen lernten, dachte ich, ich hätte die Liebe meines Lebens gefunden. So verliebt war ich noch nie. Ich war damals schon seit einiger Zeit Christin, und es war mir deswegen gleich zu Anfang wichtig, mit Stefan über Glauben und Gott zu sprechen. Er erzählte mir viel über sein Engagement in der Jungen Gemeinde1 und sagte mir auch, dass Gott für ihn wichtig sei. Ich war vollkommen glücklich: ein so wunderbarer Mann und auch noch mit christlichem Hintergrund, was wollte ich mehr.
Wir waren drei Jahre zusammen, und ich verbinde sehr viele schöne Erinnerungen mit dieser Zeit. Aber es zeigte sich in Abständen immer wieder, dass wir uns über den Glauben lange nicht so einig werden konnten, wie ich mir das gewünscht hatte. Als ich zum ersten Mal in seiner Jungen Gemeinde war, merkte ich schnell, dass dort Bibel lesen, beten oder die lebendige Gemeinschaft mit Gott überhaupt nicht wichtig waren. Das Gruppenerlebnis stand im Vordergrund, und Gott war mehr ein Lückenfüller. Als ich genauer nachfragte, waren alle, einschließlich Stefan, davon überrascht, dass ich mich so anstellte. Und was für mich das Schlimmste war: Stefan stellte sich erst nach langem Zögern auf meine Seite.
Stefan und mir war es wichtig, Gedanken und Gefühle in allen Bereichen zu teilen. Wir führten eine sehr glückliche Beziehung, teilten viele Hobbys und Erlebnisse und waren auch nach drei Jahren immer noch genauso ineinander verliebt wie zu Anfang. Aber wenn es um Glaubensfragen ging, erstarb das Gespräch meist sehr schnell. Lange erschien mir das nicht so gravierend, aber mit der Zeit geschah es immer häufiger, dass ich ihm etwas erzählte oder ihn etwas fragte und er einfach nicht verstand, um was es mir ging. Das betraf eigentlich alle geistlichen Bereiche: sei es, dass ich versuchte, eine verfahrene Situation aus christlicher Sicht zu beleuchten oder eine für mich drängende Frage von der Bibel her zu beantworten: Stefan schwieg dazu.
Er sagte immer wieder, dass er mir da nicht helfen könne, weil er sich damit noch nicht beschäftigt hätte. Ich erwartete nicht, dass er mir 100- prozentige Lösungen bieten könnte, aber ich begann, mich zu fragen, warum er mir /u keinem Bereich des Glaubens je irgendetwas erzählte. Auch das gemeinsame Gebet hatte ich mir immer gewünscht oder überhaupt irgendwelche gemeinsamen Punkte in unserem geistlichen Leben. Stefan sträubte sich jedoch sehr energisch
gegen Anfragen in diese Richtung, und ich muss zugeben, dass ich mich nach einiger Zeit von dieser Vermeidungshaltung anstecken ließ. Ich ging nur noch selten in den Gottesdienst und schob Gott auch aus meinem alltäglichen Leben immer weiter hinaus, weil ich Stefan nicht verlieren wollte. Die ganzen Glaubensfragen erschienen mir nicht mehr so wichtig. Ich sagte mir immer wieder, dass jeder Mensch seine eigene Art Glauben zu leben hätte und dass ich dazu fähig sein müsste, das zu akzeptieren. Allerdings kam es doch einige Male vor, dass ich Stefan deswegen große Vorwürfe machte. Meistens dann, wenn Gott mir begegnet war und ich nach einer begeisterten Erzählung meines Erlebnisses auf großes Unverständnis traf. Nach einer erneuten Auseinandersetzung stellte Stefan klar, dass diese die letzte gewesen sein müsse, weil er diese Vorwürfe nicht ertragen könne. Im Nachhinein weiß ich, dass ich Druck ausgeübt habe, wo ich mein Leben konsequent auf Gott hätte ausrichten müssen, und dass ich nicht nur mir selber alles viel schwerer gemacht habe, sondern auch im Umgang mit Stefan sehr schuldig geworden bin.
Letzten Endes kam es dann noch einmal zu einer Auseinandersetzung über Gott und den Glauben und damit zur Trennung. Voraus schicken möchte ich noch, dass in den zwei Monaten vor der Trennung für mich ganz klar feststand, dass sich in der nächsten Zeit entscheiden musste, ob wir heiraten oder nicht, da ich unsere Beziehung sonst als unehrlich empfunden hätte. Und ich denke, auch Stefan machte sich in dieser Hinsicht Gedanken, obwohl er, anders als ich, der Ansicht war, dass man auch ohne Heirat Zusammenleben könne. Ich hatte Gott in dieser Zeit sehr oft um ein klares Zeichen gebeten.
Zum Streit kam es nach einer Semesterendrüste meiner SMD-Gruppe. Ich hatte Stefan häufig zu SMD-Veranstaltungen eingeladen. Weniger, um ihn geistlich zu beeinflussen, sondern weil ich mich gefreut hätte, wenn er die Leute kennen gelernt hätte, die ich so mochte. Aber er hatte diese Einladungen zunehmend schroffer abgelehnt. Die Rüste war für mich ein geistliches Höhenflugerlebnis. Ich hatte Gott so lange schon irgendwie aus dem Blick verloren und auf dieser SMD-Rüste erfüllte er mich plötzlich wieder ganz mit seiner Gegenwart. Und ich hatte dort zwei sehr tiefe Gespräche mit Männern unserer Gruppe. Als ich nach Hause kam, war der beherrschende Gedanke in mir: „Warum kann ich mit Stefan nicht so reden und beten?“ Und dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los.
Als ich Stefan das nächste Mal traf, konnte ich nur damit herausplatzen. Und das war dann der Anfang vom Ende. Genau das habe er befürchtet, sagte Stefan, ich sei immer so anders, wenn ich auf einer Freizeit mit anderen Christen gewesen wäre, und jedes Mal habe er mich weniger verstanden. Und als ich ihm voller Freude von den Gesprächen erzählte, warf er mir „geistliches Fremdgehen“ vor. Ich würde ihn mit anderen in der SMD betrügen, und er wisse schon, warum er nie mitkommen wollte. Jetzt weiß ich, dass er mit diesen harten Sätzen genau den Punkt getroffen hatte. Wir versuchten noch eine ganze Woche lang, unsere Beziehung zu retten. Aber es ließ sich nicht ändern: Ich wollte Gott als Mittelpunkt in meinem Leben und in unserer Beziehung. Mir war wieder klar geworden, dass ich Gott meine ganze kompromisslose Hingabe schenken wollte. Stefan sagte immer wieder, dass Gott für ihn zwar wichtig, aber nur ein Faktor von vielen sei. Und dass er sich schon lange denken würde, dass er ohne Gott wahrscheinlich viel besser zurecht käme. Am schlimmsten war für mich, als ich realisierte, dass Stefan einfach nicht konnte. Seine Beziehung zu Gott sah komplett anders aus als meine, und er wollte und konnte nichts daran ändern. Aber ich konnte mich auch nicht mehr auf einen Kompromiss einlassen. Obwohl wir einander so lieb hatten, war diese Kluft nicht zu überwinden.
Während ich das schreibe, spüre ich wieder den Schmerz, der mir damals fast das Herz zerriss. Eine ganze Woche lang schlief ich kaum, ich war wie „von Sinnen“, und ich weiß, dass es Stefan genauso ging. Aber in den Monaten danach hat sich mein Gott so gnädig meiner angenommen, wie nur er es vermag. Ich bin fast direkt nach der Trennung als Köchin auf eine Norwegenfreizeit mitgefahren, und Gott hat dort mit ganz viel Sanftheit und Liebe angefangen, meine Wunden zu heilen. In den darauffolgenden Wochen hat er mir immer dann Gespräche, Freunde, Einladungen oder einfach seine Gegenwart geschenkt, wenn ich vor Einsamkeit kurz vor dem Verzweifeln war. Und er hat mich getragen, als mir Stück für Stück klar wurde, dass sich mit einem Schlag meine ganzen Erwartungen an die Zukunft zerschlagen haben. Und in dieser Zeit wusste ich trotz allem Schmerz ganz genau, dass meine Entscheidung die richtige gewesen war.
Ich habe Freundinnen, die als Christinnen mit Nichtchristen zusammen sind und die mir sagen, dass nur Liebe errettet und dass ihre Liebe diese Männer vielleicht zu Gott führt. Und ich bin auch Menschen begegnet, die mir vorgeworfen haben, dass ich Stefan wohl nicht genug geliebt habe, sonst wäre ich trotz dieses Unterschiedes bei ihm geblieben. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob Stefan Christ ist oder nicht. Aber ich weiß, dass ich Gott mit aller Kraft in meinem ganzen Leben will, auch in meiner Liebe zu einem anderen Menschen. Ich konnte keinen Mann heiraten, mit dem ich vielleicht nie meinen Glauben hätte teilen können. Und ich habe gewusst, dass Gott von mir jetzt diese Entscheidung für ihn wollte, dass er Gehorsam verlangt. Er ist mir in dieser Situation wichtiger geworden als alles andere.
Vor einem halben Jahr hat Gott mir eine neue Beziehung geschenkt. Eine Beziehung, in die ich mit beträchtlichen Ängsten gegangen bin. Ängste vor einem erneuten Zerbrechen und Ängste davor, dass ich vielleicht mit dem Herzen noch zu sehr bei Stefan bin. Aber Gott hat mir diese Ängste nach und nach genommen.
Matthias und ich wissen, dass Gott uns zueinander geführt hat. Und mit Matthias zusammen kann ich jetzt auch beten und über Gott und unseren Glauben sprechen. Wir haben uns beide bewusst entschieden, unser gemeinsames Leben ganz mit Gott zu leben. Wir können unsere Zweifel miteinander teilen, und wir können die Freude über Gott miteinander teilen. Das ist ein riesengroßes Geschenk. Gott geht einen guten Weg mit uns, und wir dürfen das beide gemeinsam immer wieder erleben.