
Ihr erlaubt sicher, dass ich nicht nur einen Lebensbericht gebe, denn man kann zu viel von sich selbst reden. Ledig sein, verheiratet sein und wieder allein sein: In allem, was ich dazu an Grundsätzlichem sage, stecke ich selber drin. Ich sollte einmal eine Bibelarbeit halten über Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Da kam die notvolle Frage: „Gott, warum tust du eigentlich an mir, was nicht gut ist? Ist dieses Wort für mich als Gottes Wort tragbar?“ So habe ich gefragt.
Im ersten Buch Mose, Kapitel eins und zwei, ist Gottes Konzeption für den Menschen: Mann und Frau sind geschaffen - verschiedenartig, gleichwertig und zu gegenseitiger Ergänzung, auch im Berufsleben, nicht nur in der Ehe. Aber die Ehe ist da als Ausschließlichkeit, als Ganzheitlichkeit der Beziehungen von Mann und Frau zueinander und zum Fruchtbarsein und Sich-Mehren. So will es Gott, auch wenn viele heute anders leben. Doch diese drei Elemente in der Ehe waren für mich ausgeschlossen. Was mich umtrieb als Ledige: „Ich stehe außerhalb dieser Kostbarkeiten“: und so hatte ich damals oft das Gefühl: Was man so richtig Leben nennt, vital und ganz, das geht an mir vorbei. Bin ich wirklich ganzer Mensch als Unverheiratete? Warum klaffen Konzept Gottes und unsere Wirklichkeit auseinander?
Nein, die Menschheitsgeschichte geht nicht paarweise auf. Da sind Kriege, und Millionen fallen; so traf es viele nach dem Ersten Weltkrieg; nach dem Zweiten traf es uns. Viele meiner Mitarbeiter blieben allein. Jetzt war es hautnah. Die Statistik sagte: zehn Frauen, ein Mann. Die Rechnung geht nicht auf: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Darüber hinaus greift der Tod ein.
Ich erinnere mich an eine zarte, schöne Freundschaft noch in der Schulzeit. Aber der Freund brach beim Schlittschuhlaufen ein und war tot. Ich erinnere mich an manche anderen Freundschaften, die entstanden, aber dann, so heißt der Ausdruck, „ging es auseinander“. Oder ich machte Schluss, weil es zu „schwül“ wurde.
Ich denke an die vielen, die geschieden sind und nun allein leben, und schließlich an die unübersehbare Zahl derer, für die die Ehe die leibhaftige Hölle ist; ich weiß von christlichen Frauen, die geschlagen werden. Also, die Rechnung geht nicht einfach auf. Wir haben teil an der gefallenen Welt, und wir können nicht Gott den schwarzen Peter zuschieben. Wir sind es ja selbst, die Kriege machen, die Unfrieden haben, der sich bis auf Weltebene fortsetzt.
Sackgassenlösungen
Für die Betroffene bleibt aber die Frage: „Wie werde ich damit fertig?“ Es boten sich und bieten sich eine Anzahl von Sackgassenlösungen an. Ich erinnere mich, als ich vor meinem Studium einsam im Reisedienst im Ruhrgebiet war, wie mich da manchmal die Sehnsucht nach einem Partner zu verschlingen drohte.
• Die erste Sackgasse ist die Flucht in die Fantasie. „Wenn du jetzt von der Reise zurückkommst, liegt vielleicht von ihm ein Brief da ...“, und ich leerte den Briefkasten - mit Drucksachen und Rechnungen.
• Oder das andere: Ich nehme mir etwas, was Gott mir nicht gibt, was mir nicht zugeführt worden ist. Wie viele meiner Schwestern stürzen sich, mir begreiflicherweise, in sexuelle Abenteuer, mal eben so im Urlaub.
• Oder sie sagen: Heiraten um jeden Preis, um dieser schrecklichen Einsamkeit zu entrinnen! Vielleicht gibt man eine Anzeige auf oder dergleichen. Und dann kommt dieser kritische dreißigste Geburtstag. Mit dreißig ist es wahrscheinlich vorbei, greif jetzt zu, ganz egal wie. - Ich wurde gehalten. Ich war in der glücklichen Lage, Eltern zu haben, die nicht darauf lauerten, ob ihre Tochter bald heiraten würde, sondern die ein tiefes Verständnis für meinen Dienst als Ledige hatten.
• Eine weitere Sackgasse. Ich mache mich auf zum Single-Dasein mit Verachtung des anderen Geschlechts: „Diese blöden Männer!“ Man rächt sich auf diese Weise und lügt sich etwas vor, aber hat für Augenblicke mal den Dampf abgelassen. Man bringt sich das Gruseln bei vor dem Kindergeschrei, oder dass sie nach oben sich übergeben und nach unten die Hose voll machen, vor den nächtlichen Störungen und so weiter. Stattdessen bin ich ja frei zum Reisen, für Konzerte und anderes. Und vielfach wurde man noch von Verheirateten bestärkt: „Du hast es gut, dass du so frei bist!“
• Eine weitere Sackgasse: Der Weg in die Versuchung gleichgeschlechtlicher Beziehung. Das kann ganz sanft anfangen. Ich habe es als Primanerin vollkommen ahnungslos erlebt mit einem entsetzlichem Schreck, als wir in der Jugendherberge abends in den Betten lagen und meine Klassenkameradin sagte: „Komm doch ’rüber, ich möchte dich lieb haben.“ Ich habe es dann später erlebt in der Seelsorge. Sie wurde merkwürdig oft begehrt. Häufiges Beten wurde gewünscht, doch von seelisch bestimmtem Beten geht manchmal etwas Unheimliches aus. Dann kam das Angebot: „Was kann ich dir tun?“ Und dann wird man verwöhnt: „Ich packe dir den Koffer, ich bringe ihn dir zur Bahn.“ - Was tun? Einsteigen, die Einsamkeit beenden? Oder entdecken: Hier sind seelische Kräfte, die binden wollen? Hier gibt es nichts als Flucht, Flucht und Zuflucht zu Gott, nichts als Trennung. Auch hier habe ich zu danken für großartige Bewahrung Gottes, gerade in der Jugendarbeit, wo die Gefahr sich dauernd anbot.
Und noch eine Sackgasse: der Groll. Ich verpasste eine einmalige Gelegenheit: Er wollte mich, bevor es in den Krieg in den Osten ging, besuchen; ich war nicht zuhause. Ich grollte, dass ich weg gewesen war, ich grollte ihm, dass er nicht wiederkam, ich grollte über die Gedanken und Reden der anderen Menschen, die sagten: „Ich begreife nicht, wie die Männer so dumm sein können und eine Frau wie dich nicht heiraten.“ Und es gibt den Groll über sich selbst: Ich sage zwei ernsthaften Bewerbern ab - sie waren auch noch Christen! - und sagte mir hinterher: „Vielleicht wäre es doch nicht schlecht gewesen.“ Aber der Zug war abgefahren. Groll ist immer eine Sackgasse, und wer darin bleibt, der verkrüppelt. Fast ausschließlich wird man Groll nur durch Beichte los.
Die letzte Sackgasse, die ich nennen will, ist das Sublimieren, das Abheben vom Kreatürlichen, von der Polarisation zwischen Mann und Frau. Konnte man sich nicht im dienstlichen Bereich, auf geistiger und geistlicher Ebene neutral begegnen? Man genießt die Interessengemeinschaft, man versteht sich gut, man kann sogar miteinander beten - und im Tiefsten doch nur den Partner suchen. Man kann sich sehr betrügen.
Seinen Weg weitergehen
Aber es gibt nicht nur Sackgassen, um mit diesem Ledig sein zu werden, sondern es gibt positive Schritte und Wege. Und alles fasst sich für mich zusammen in dem Ja zur Führung Gottes. Aber dabei ist die Frage Ledig oder verheiratet? nicht zu isolieren von der Ganzheit des Lebens. Ich habe das grundlegend erfahren: Ich kam solange nicht klar, solange ich mich vor dem Risiko der kommenden Ehelosigkeit drücken wollte und meine Lebensführung nicht Jesus anvertraute. Ich merkte, ich durfte einen Mann, den ich nur siebzigprozentig liebte, nicht mit einem Ja betrügen. Weil ich nicht sagen konnte: „Nur du“, sagte ich ihm nach zu langem Zögern ab. Und dann wurde ich frei von der Frage: „Wie kriege ich vielleicht doch noch einen Mann?“, sondern ich konnte mein Leben mit den Gaben, die mir mein Schöpfer gegeben hat, zu seiner Ehre leben und gestalten.
Wo die Dimension des Reiches Gottes am Horizont erscheint und ich aus der stickigen Luft der Ichbezogenheit herausgeholt werde, ergreife ich das Angebot: „Wer ledig ist, sorgt um des Herrn Sache, nämlich wie er dem Herrn gefällt.“ (1 Kor 7,32). Solchen Weg und solche Gabe wähle ich mir nicht, aber ich empfange sie. Dem Herrn gefallen geschieht nicht automatisch, nur weil ich unverheiratet bin. Auch wir Frauen sind dem Reich Gottes nicht näher; auch uns hilft gar nichts anderes als eine Erlösung durch Jesus selbst. Nicht ich fühle mich selbst plötzlich frei oder ich nehme mich selbst an - damit bleibe ich allein. Nur „wen der Sohn frei macht, der ist wahrhaft frei“. Und ohne diese Befreiung durch Jesus läuft nichts, auch nicht in der Ehe, denn Ehe als solche ist keine Erlösung. Die Erlösung aber macht mich nicht zu einer Art „dritten Geschlechts“. Gott will, dass die Unverheiratete auch schöpfungsgemäß eine echt durchblutete Frau ist. Nun bleibe ich aber nicht allein, sondern brauche die Gemeinschaft heute und mit der „Wolke von Zeugen“ von gestern.
Wir leben in einer Zeit, die uns mahnt, dass das „Schema dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31). In der neuen Welt werden wir nicht mehr freien oder gefreit werden, sondern wie die Engel werden wir sein (Lk 20). Und doch heißt es, hier auf der Erde seinen Weg weiterzugehen, nüchtern zu bleiben und nicht dem Irrtum aufzusitzen, es gäbe einen Eheersatz. Den gibt es nicht.
Wir denken an mittelalterliche Strömungen, die Christusminne, die bis ins Sinnenhafte hineinging. „Christus, mein Bräutigam“, das sagte die Gemeinde, aber da gibt es keine sinnenhafte Christusminne oder Eros. Es ist kein kampfloser Weg. Die Führung will immer neu bejaht werden. Es war kostbar, als meine Mutter, als ich in einer Krise war, mich einfach ermutigte zu beten: „Habe deine Lust an dem Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz wünscht“ . Gott hat mehr gegeben, mitten im ehelosen Leben. Ich habe nie persönlich die Berufung zur Ehelosigkeit auf mich anwenden können, aber ich habe eine Hochachtung vor denen, die sie empfangen, und ich denke an die vielen Diakonissen, die ihre Ganzhingabe an Jesus unter Beweis stellten, oder auch an die, die das Leben führen. Aber ich werde immer etwas erschrocken, wenn sie das so problemlos nach irgendwelchen Gefühlen tun und meinen. Aber auch dieser Weg der Ehelosigkeit ist nie selbstverständlich und ohne Anfechtungen. Auf ihm bewahrt Gott allein, denn wer leibhaft lebt, der kennt die Versuchungen und hat sie zu bestehen.
Aus der Praxis gewonnene Erkenntnisse Man stelle den Ledigen kein Bein
Man lasse der Ledigen den Raum, den sie zur Selbstwerdung braucht, auch zur Ablösung aus dem Elternhaus. Das Gleiche gilt für den jungen Mann, der nur dann zur guten Ehe fähig wird, wenn er sich von den Eltern, besonders von der Mutter abgelöst hat. Ich glaube, dass eine Neubesinnung in der Gesellschaft und in der Kirche der ledigen Frau gegenüber nötig ist. Wie oft wird gesagt oder gedacht: „Die Ledige ist ein halber Mensch, eine alte Jungfer, sie ist sitzengeblieben.“ Oder die Frau wird in einer grausamen Welt Freiwild und Objekt. In der Gemeinde gibt es immer noch entwürdigende Situationen. Da sagt doch ein Pfarrer: „Wir haben da so ein liebes Mädchen in unserer Gemeinde, hat keiner einen Mann für sie?“ Und verletzend ist auch, wenn frühere Kollegen, nun verheiratet, so mitleidig auf uns, die wir nicht heirateten, herabgesehen haben. Die Ledige braucht kein Mitleid; das wäre eine Herabsetzung. Aber sie braucht Raum und Achtung.
Reich an Ideen
Als Gott mir - ich war schon fünfzig - die Ehe schenkte, da war es nicht das Erlebnis Nun endlich doch noch, sondern es war ein ganz neues Wunder, das ich mit zitternder Freude empfing. Eben nicht als schlussendliche Ergänzung, weil das andere ja doch nur halb war, sondern als etwas ganz anderes. Ein Kirchenführer meinte damals sagen zu müssen (er hat es später zurückgenommen): „Das hat doch eine Frau wie Käte Kreling nicht nötig, noch zu heiraten.“ Nein, das war es auch nicht, sondern es war das Geschenk. Ein donum superadditum. Es war das große Staunen, sagen zu dürfen. „Du bist mein Mann!“ Das war etwas ganz Neues und Großes, weniger aber auch nicht. In vielen Gesprächen heißt es: „Ich weiß nicht richtig, ob ... Ja einerseits, aber andererseits Nein.“ Nein, ich darf klar sagen: „Du bist es!“ oder: „Du bist es nicht.“
Aber ich hatte auch umzulernen: Wir sagen statt ich. Das Ich hatte sich bei mir sehr eingerastet. Ich war das Alleinsein gewöhnt. Wunderbar, dieses neue Abgeschliffen werden. Gott hört ja nie auf, mit uns anzufangen. Die zum Egoismus verführende Freizügigkeit - ich tue, was ich will - ist die große Gefahr im Ledigenstand. Nun gibt es das Miteinander. Genau das habe ich einfach gebraucht - und bin dabei beschenkt worden, durch das Zusammengehören, nicht zuletzt in Krankheitszeiten. Die wunderbare Erfüllung wertet die Zeit vorher nicht ab; sie bleibt wesentlich. So reich an Ideen ist Gott, uns zu gestalten.