
Und die dritte Phase: wieder allein. Schmerzlich - und doch das Süße darin: Du warst geliebt, innig geliebt. Merkwürdig, dieses Alleinsein nachher ist mir schwerer gefallen als das Alleinsein vor der Ehe. Ich verstehe, dass Ingrid Trobisch in ihrem Buch Lernen, allein zu leben schreibt, „wie mit einer Axt wurde ich in zwei Teile gespalten. Kann ich je wieder ein ganzer Mensch werden?“ Von der Reise nach Hause kommen und allein in der alten gemeinsamen Wohnung sein? Es bedeutete viel, als nach einer langen Auslandsreise meine Freunde, ein Ehepaar, mich abholten und mit mir in meine Wohnung gingen, nicht nur mein Gepäck hinaufbrachten, sondern in die Wohnung gingen und mit mir Gott dankten. So war es kein Ankommen in der leeren Wohnung mehr. Wunderbare kleine und sehr tiefe Erfahrungen. „Es ist Gott, der die Einsamen nach Hause führt“, steht im Psalm 68,7. Es ist nötig, dass man an Gott wieder neu erstarkt und fest wird und seinen Weg weitergeht und nicht stecken bleibt.
Für mich wurde die Frage nach der Zucht sehr akut. „Allein kochen? - lohnt doch nicht! Allein den Tisch decken, lohnt auch nicht. Tut es nicht auch ein Spiegelei, die Stulle in der Hand, in der Küche eben schnell gegessen?“ Nein, so nicht. Auch im Alleinsein muss ich gehorsam und treu gegen die Schöpfungsordnung bleiben, vor allem aber die Wirklichkeit der Wolke von Zeugen erfahren, die um uns ist, und das Ziel, die über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, vor Augen haben. Verbindung nach oben, Verbindung nach vorn. Staunend darf ich erfahren, wie Gott noch einmal einen vielleicht kleinen, aber neuen Lebensanfang schenkt, bei dem Jesus selbst seine Türen auftut, neue Räume und Dienste erschließt. So bleibt nur das Bekenntnis: „Christus hat mich in allen Stücken reich gemacht durch das Evangelium.“. Es lohnt, ihm zu folgen, ob allein oder in der Ehe: „Erkennt doch, wie der Herr die Seinen wunderbar führt“

Ihr erlaubt sicher, dass ich nicht nur einen Lebensbericht gebe, denn man kann zu viel von sich selbst reden. Ledig sein, verheiratet sein und wieder allein sein: In allem, was ich dazu an Grundsätzlichem sage, stecke ich selber drin. Ich sollte einmal eine Bibelarbeit halten über Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei. Da kam die notvolle Frage: „Gott, warum tust du eigentlich an mir, was nicht gut ist? Ist dieses Wort für mich als Gottes Wort tragbar?“ So habe ich gefragt.
Im ersten Buch Mose, Kapitel eins und zwei, ist Gottes Konzeption für den Menschen: Mann und Frau sind geschaffen - verschiedenartig, gleichwertig und zu gegenseitiger Ergänzung, auch im Berufsleben, nicht nur in der Ehe. Aber die Ehe ist da als Ausschließlichkeit, als Ganzheitlichkeit der Beziehungen von Mann und Frau zueinander und zum Fruchtbarsein und Sich-Mehren. So will es Gott, auch wenn viele heute anders leben. Doch diese drei Elemente in der Ehe waren für mich ausgeschlossen. Was mich umtrieb als Ledige: „Ich stehe außerhalb dieser Kostbarkeiten“: und so hatte ich damals oft das Gefühl: Was man so richtig Leben nennt, vital und ganz, das geht an mir vorbei. Bin ich wirklich ganzer Mensch als Unverheiratete? Warum klaffen Konzept Gottes und unsere Wirklichkeit auseinander?
Nein, die Menschheitsgeschichte geht nicht paarweise auf. Da sind Kriege, und Millionen fallen; so traf es viele nach dem Ersten Weltkrieg; nach dem Zweiten traf es uns. Viele meiner Mitarbeiter blieben allein. Jetzt war es hautnah. Die Statistik sagte: zehn Frauen, ein Mann. Die Rechnung geht nicht auf: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Darüber hinaus greift der Tod ein.
Ich erinnere mich an eine zarte, schöne Freundschaft noch in der Schulzeit. Aber der Freund brach beim Schlittschuhlaufen ein und war tot. Ich erinnere mich an manche anderen Freundschaften, die entstanden, aber dann, so heißt der Ausdruck, „ging es auseinander“. Oder ich machte Schluss, weil es zu „schwül“ wurde.
Ich denke an die vielen, die geschieden sind und nun allein leben, und schließlich an die unübersehbare Zahl derer, für die die Ehe die leibhaftige Hölle ist; ich weiß von christlichen Frauen, die geschlagen werden. Also, die Rechnung geht nicht einfach auf. Wir haben teil an der gefallenen Welt, und wir können nicht Gott den schwarzen Peter zuschieben. Wir sind es ja selbst, die Kriege machen, die Unfrieden haben, der sich bis auf Weltebene fortsetzt.
Sackgassenlösungen
Für die Betroffene bleibt aber die Frage: „Wie werde ich damit fertig?“ Es boten sich und bieten sich eine Anzahl von Sackgassenlösungen an. Ich erinnere mich, als ich vor meinem Studium einsam im Reisedienst im Ruhrgebiet war, wie mich da manchmal die Sehnsucht nach einem Partner zu verschlingen drohte.
• Die erste Sackgasse ist die Flucht in die Fantasie. „Wenn du jetzt von der Reise zurückkommst, liegt vielleicht von ihm ein Brief da ...“, und ich leerte den Briefkasten - mit Drucksachen und Rechnungen.
• Oder das andere: Ich nehme mir etwas, was Gott mir nicht gibt, was mir nicht zugeführt worden ist. Wie viele meiner Schwestern stürzen sich, mir begreiflicherweise, in sexuelle Abenteuer, mal eben so im Urlaub.
• Oder sie sagen: Heiraten um jeden Preis, um dieser schrecklichen Einsamkeit zu entrinnen! Vielleicht gibt man eine Anzeige auf oder dergleichen. Und dann kommt dieser kritische dreißigste Geburtstag. Mit dreißig ist es wahrscheinlich vorbei, greif jetzt zu, ganz egal wie. - Ich wurde gehalten. Ich war in der glücklichen Lage, Eltern zu haben, die nicht darauf lauerten, ob ihre Tochter bald heiraten würde, sondern die ein tiefes Verständnis für meinen Dienst als Ledige hatten.
• Eine weitere Sackgasse. Ich mache mich auf zum Single-Dasein mit Verachtung des anderen Geschlechts: „Diese blöden Männer!“ Man rächt sich auf diese Weise und lügt sich etwas vor, aber hat für Augenblicke mal den Dampf abgelassen. Man bringt sich das Gruseln bei vor dem Kindergeschrei, oder dass sie nach oben sich übergeben und nach unten die Hose voll machen, vor den nächtlichen Störungen und so weiter. Stattdessen bin ich ja frei zum Reisen, für Konzerte und anderes. Und vielfach wurde man noch von Verheirateten bestärkt: „Du hast es gut, dass du so frei bist!“
• Eine weitere Sackgasse: Der Weg in die Versuchung gleichgeschlechtlicher Beziehung. Das kann ganz sanft anfangen. Ich habe es als Primanerin vollkommen ahnungslos erlebt mit einem entsetzlichem Schreck, als wir in der Jugendherberge abends in den Betten lagen und meine Klassenkameradin sagte: „Komm doch ’rüber, ich möchte dich lieb haben.“ Ich habe es dann später erlebt in der Seelsorge. Sie wurde merkwürdig oft begehrt. Häufiges Beten wurde gewünscht, doch von seelisch bestimmtem Beten geht manchmal etwas Unheimliches aus. Dann kam das Angebot: „Was kann ich dir tun?“ Und dann wird man verwöhnt: „Ich packe dir den Koffer, ich bringe ihn dir zur Bahn.“ - Was tun? Einsteigen, die Einsamkeit beenden? Oder entdecken: Hier sind seelische Kräfte, die binden wollen? Hier gibt es nichts als Flucht, Flucht und Zuflucht zu Gott, nichts als Trennung. Auch hier habe ich zu danken für großartige Bewahrung Gottes, gerade in der Jugendarbeit, wo die Gefahr sich dauernd anbot.
Und noch eine Sackgasse: der Groll. Ich verpasste eine einmalige Gelegenheit: Er wollte mich, bevor es in den Krieg in den Osten ging, besuchen; ich war nicht zuhause. Ich grollte, dass ich weg gewesen war, ich grollte ihm, dass er nicht wiederkam, ich grollte über die Gedanken und Reden der anderen Menschen, die sagten: „Ich begreife nicht, wie die Männer so dumm sein können und eine Frau wie dich nicht heiraten.“ Und es gibt den Groll über sich selbst: Ich sage zwei ernsthaften Bewerbern ab - sie waren auch noch Christen! - und sagte mir hinterher: „Vielleicht wäre es doch nicht schlecht gewesen.“ Aber der Zug war abgefahren. Groll ist immer eine Sackgasse, und wer darin bleibt, der verkrüppelt. Fast ausschließlich wird man Groll nur durch Beichte los.
Die letzte Sackgasse, die ich nennen will, ist das Sublimieren, das Abheben vom Kreatürlichen, von der Polarisation zwischen Mann und Frau. Konnte man sich nicht im dienstlichen Bereich, auf geistiger und geistlicher Ebene neutral begegnen? Man genießt die Interessengemeinschaft, man versteht sich gut, man kann sogar miteinander beten - und im Tiefsten doch nur den Partner suchen. Man kann sich sehr betrügen.
Seinen Weg weitergehen
Aber es gibt nicht nur Sackgassen, um mit diesem Ledig sein zu werden, sondern es gibt positive Schritte und Wege. Und alles fasst sich für mich zusammen in dem Ja zur Führung Gottes. Aber dabei ist die Frage Ledig oder verheiratet? nicht zu isolieren von der Ganzheit des Lebens. Ich habe das grundlegend erfahren: Ich kam solange nicht klar, solange ich mich vor dem Risiko der kommenden Ehelosigkeit drücken wollte und meine Lebensführung nicht Jesus anvertraute. Ich merkte, ich durfte einen Mann, den ich nur siebzigprozentig liebte, nicht mit einem Ja betrügen. Weil ich nicht sagen konnte: „Nur du“, sagte ich ihm nach zu langem Zögern ab. Und dann wurde ich frei von der Frage: „Wie kriege ich vielleicht doch noch einen Mann?“, sondern ich konnte mein Leben mit den Gaben, die mir mein Schöpfer gegeben hat, zu seiner Ehre leben und gestalten.
Wo die Dimension des Reiches Gottes am Horizont erscheint und ich aus der stickigen Luft der Ichbezogenheit herausgeholt werde, ergreife ich das Angebot: „Wer ledig ist, sorgt um des Herrn Sache, nämlich wie er dem Herrn gefällt.“ (1 Kor 7,32). Solchen Weg und solche Gabe wähle ich mir nicht, aber ich empfange sie. Dem Herrn gefallen geschieht nicht automatisch, nur weil ich unverheiratet bin. Auch wir Frauen sind dem Reich Gottes nicht näher; auch uns hilft gar nichts anderes als eine Erlösung durch Jesus selbst. Nicht ich fühle mich selbst plötzlich frei oder ich nehme mich selbst an - damit bleibe ich allein. Nur „wen der Sohn frei macht, der ist wahrhaft frei“. Und ohne diese Befreiung durch Jesus läuft nichts, auch nicht in der Ehe, denn Ehe als solche ist keine Erlösung. Die Erlösung aber macht mich nicht zu einer Art „dritten Geschlechts“. Gott will, dass die Unverheiratete auch schöpfungsgemäß eine echt durchblutete Frau ist. Nun bleibe ich aber nicht allein, sondern brauche die Gemeinschaft heute und mit der „Wolke von Zeugen“ von gestern.
Wir leben in einer Zeit, die uns mahnt, dass das „Schema dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31). In der neuen Welt werden wir nicht mehr freien oder gefreit werden, sondern wie die Engel werden wir sein (Lk 20). Und doch heißt es, hier auf der Erde seinen Weg weiterzugehen, nüchtern zu bleiben und nicht dem Irrtum aufzusitzen, es gäbe einen Eheersatz. Den gibt es nicht.
Wir denken an mittelalterliche Strömungen, die Christusminne, die bis ins Sinnenhafte hineinging. „Christus, mein Bräutigam“, das sagte die Gemeinde, aber da gibt es keine sinnenhafte Christusminne oder Eros. Es ist kein kampfloser Weg. Die Führung will immer neu bejaht werden. Es war kostbar, als meine Mutter, als ich in einer Krise war, mich einfach ermutigte zu beten: „Habe deine Lust an dem Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz wünscht“ . Gott hat mehr gegeben, mitten im ehelosen Leben. Ich habe nie persönlich die Berufung zur Ehelosigkeit auf mich anwenden können, aber ich habe eine Hochachtung vor denen, die sie empfangen, und ich denke an die vielen Diakonissen, die ihre Ganzhingabe an Jesus unter Beweis stellten, oder auch an die, die das Leben führen. Aber ich werde immer etwas erschrocken, wenn sie das so problemlos nach irgendwelchen Gefühlen tun und meinen. Aber auch dieser Weg der Ehelosigkeit ist nie selbstverständlich und ohne Anfechtungen. Auf ihm bewahrt Gott allein, denn wer leibhaft lebt, der kennt die Versuchungen und hat sie zu bestehen.
Aus der Praxis gewonnene Erkenntnisse Man stelle den Ledigen kein Bein
Man lasse der Ledigen den Raum, den sie zur Selbstwerdung braucht, auch zur Ablösung aus dem Elternhaus. Das Gleiche gilt für den jungen Mann, der nur dann zur guten Ehe fähig wird, wenn er sich von den Eltern, besonders von der Mutter abgelöst hat. Ich glaube, dass eine Neubesinnung in der Gesellschaft und in der Kirche der ledigen Frau gegenüber nötig ist. Wie oft wird gesagt oder gedacht: „Die Ledige ist ein halber Mensch, eine alte Jungfer, sie ist sitzengeblieben.“ Oder die Frau wird in einer grausamen Welt Freiwild und Objekt. In der Gemeinde gibt es immer noch entwürdigende Situationen. Da sagt doch ein Pfarrer: „Wir haben da so ein liebes Mädchen in unserer Gemeinde, hat keiner einen Mann für sie?“ Und verletzend ist auch, wenn frühere Kollegen, nun verheiratet, so mitleidig auf uns, die wir nicht heirateten, herabgesehen haben. Die Ledige braucht kein Mitleid; das wäre eine Herabsetzung. Aber sie braucht Raum und Achtung.
Reich an Ideen
Als Gott mir - ich war schon fünfzig - die Ehe schenkte, da war es nicht das Erlebnis Nun endlich doch noch, sondern es war ein ganz neues Wunder, das ich mit zitternder Freude empfing. Eben nicht als schlussendliche Ergänzung, weil das andere ja doch nur halb war, sondern als etwas ganz anderes. Ein Kirchenführer meinte damals sagen zu müssen (er hat es später zurückgenommen): „Das hat doch eine Frau wie Käte Kreling nicht nötig, noch zu heiraten.“ Nein, das war es auch nicht, sondern es war das Geschenk. Ein donum superadditum. Es war das große Staunen, sagen zu dürfen. „Du bist mein Mann!“ Das war etwas ganz Neues und Großes, weniger aber auch nicht. In vielen Gesprächen heißt es: „Ich weiß nicht richtig, ob ... Ja einerseits, aber andererseits Nein.“ Nein, ich darf klar sagen: „Du bist es!“ oder: „Du bist es nicht.“
Aber ich hatte auch umzulernen: Wir sagen statt ich. Das Ich hatte sich bei mir sehr eingerastet. Ich war das Alleinsein gewöhnt. Wunderbar, dieses neue Abgeschliffen werden. Gott hört ja nie auf, mit uns anzufangen. Die zum Egoismus verführende Freizügigkeit - ich tue, was ich will - ist die große Gefahr im Ledigenstand. Nun gibt es das Miteinander. Genau das habe ich einfach gebraucht - und bin dabei beschenkt worden, durch das Zusammengehören, nicht zuletzt in Krankheitszeiten. Die wunderbare Erfüllung wertet die Zeit vorher nicht ab; sie bleibt wesentlich. So reich an Ideen ist Gott, uns zu gestalten.

Wir müssen Geduld und Zeit für jeden „Bauabschnitt“ aufbringen. Kein Schritt darf übersprungen werden. Auf den rohen Mauern hält die Tapete nicht. Harmonie durch körperliche Zärtlichkeit ohne den Untergrund von vielleicht mühsamen Gesprächen hält auch nicht. Wir haben Zeit für eine tragfähige Konstruktion, weil wir unser ganzes Leben in diesem Haus verbringen wollen.
Wird ein Bau vernachlässigt, ist das bald sichtbar. Wir müssen in unserer Beziehung die Augen offen halten, um drohende Schäden schnell zu erkennen. Zum Beispiel: Denke ich nur an meine Pläne, oder denke ich auch an die Selbstverwirklichung und die Gefühle des anderen?
Kein Zusammenleben geht ohne Kompromisse. Mit dem Wachsen unserer Beziehung müssen wir letztlich dazu bereit sein, uns selbst zu verändern. Will ich mich darauf einlassen? Ich ahne: Zu zweit kann ich nicht das bleiben, was ich allein bin. Zu zweit kann ich das werden, was ich allein nicht sein könnte. Hier liegen das Wagnis und die ungeheure Chance der Ehe.
Ich kann mich Wilfried gegenüber öffnen, wie ich es in anderen guten Freundschaften nur stückweise kann. Denn er hat ein Ja zu mir gesagt, auf das ich mich verlassen kann - auch wenn meine Fehler immer mehr auftauchen! In diesen Momenten muss ich bereit sein, meine Fehler einzugestehen, und versuchen, sie zu überwinden. Ich lasse oft meine Ungeduld an meinem Partner aus und schimpfe wegen Kleinigkeiten mit ihm. Wenn er sich über mein unbeherrschtes Verhalten beklagt, weiche ich aus, indem ich ihm seine eigenen Fehler Vorhalte. Darunter leide ich.
Wilfried und ich haben schon jetzt erfahren, dass unsere Liebe nicht ausreicht als ständiger Antrieb, um so miteinander umzugehen, wie wir es uns wünschen. Dass Jesus uns die Kraft gibt, um Verzeihung zu bitten und selbst rückhaltlos zu verzeihen, das eröffnet uns die Chance, in echtem Frieden miteinander zu leben und auch nach Verletzungen wieder neu anzufangen. Ich merke: So ein gegenseitiges Verzeihen ist nötig; denn das gemeinsame Leben ist die härteste Konfrontation zwischen dem Scheinbild von mir und dem Partner, zwischen seinem und meinem wirklichen Wesen.
Darin fanden wir uns von einem Zürcher Arzt und Psychotherapeuten bestätigt, der schreibt: „Die Ehe dauert bis zum Tode; mit dieser Absicht wird sie eingegangen. Die unausweichliche lebenslängliche Konfrontation ist ihr tiefer Sinn. Der Individuationsweg der Ehe besteht darin, dass man nicht die Möglichkeit hat, der Auseinandersetzung mit sich und dem Partner auszuweichen, auch dann nicht, wenn es schwierig und unangenehm wird“. Darin sehen wir einen Freiraum, Schwierigkeiten wirklich durchzustehen und daran zu reifen, statt zum Beispiel in andere Beziehungen auszuweichen. - Wir behaupten nicht, dass das einfach ist.
Uns fällt auf, dass unsere Liebe mit der Zeit tiefer und stärker geworden ist. Uns ist aber bewusst, dass wir in unserer Gemeinschaft nicht die völlige Erfüllung finden können. Die Erwartung vollkommenen Glücks führt zu gegenseitiger Überforderung oder zu tödlicher Abhängigkeit. Unsere Liebe zueinander ersetzt nicht Gottes Liebe zu uns, die das tiefste Bedürfnis nach Vertrautheit und Geborgenheit stillt.

Wir haben geheiratet. - Ich kannte Wilfried schon über ein Jahr, als eines Abends ans Licht kam, welche einzigartige Bedeutung wir füreinander hatten. Wir waren voneinander fasziniert. Ich fand bei ihm eine überraschende Weite, geistig wie emotional. Und er hatte festgestellt, dass er sich mit niemandem über so vieles unterhalten konnte wie mit mir.
Als wir am nächsten Tag als verliebtes Paar auftraten, fielen unsere gemeinsamen Bekannten aus allen Wolken. Während der folgenden zwei Jahre gewöhnten sie sich daran, und manche begannen sich zu wundern, dass wir nicht schon längst eine gemeinsame Wohnung hatten, wo wir uns doch augenscheinlich so gut verstanden. Wir sind jedoch erst vor ein paar Monaten zusammengezogen, und zwar, nachdem wir ein großes Fest gemacht haben und einander auf dem Standesamt und in der Kirche versprochen haben, unser Leben lang zusammenzubleiben. Die Ankündigung unserer Hochzeit war für viele aus unserem näheren Umkreis erst recht Anlass zum Kopfschütteln: „Wollt ihr euch wirklich lebenslänglich aneinander binden? Bei den vielen gescheiterten Beziehungen, die es gibt... - So eine Ehe wie die meiner Eltern möchte ich euch jedenfalls nicht wünschen. - Ich finde es besser, eine schöne Beziehung zu nehmen, wie sie kommt, und sie nicht krampfhaft fest- zuhalten, wenn es eines Tages nicht mehr klappt.“
Wie kamen wir zu dem Entschluss zu heiraten? Zum einen waren wir füreinander so wichtig geworden, dass wir uns eine gemeinsame Zukunft wünschten. Zum anderen wollen wir als Christen, dass auch der Bereich unserer Partnerschaft von dem Bild der Liebe und Treue Gottes geprägt ist. Schon bevor wir uns gekannt haben, bejahten wir grundsätzlich die Ehe, aber die konkrete Entscheidung zu heiraten, verlangte Zeit. Zwei Jahre brauchten wir, um einander langsam kennen zu lernen.
Wir unterhielten uns zum Beispiel über unsere ganz unterschiedlichen Erfahrungen in unseren Familien und während der Schulzeit. Ich entdeckte, wie ich durch Wilfrieds anderen Lebenshintergrund bereichert wurde: von seinem sozialen Milieu über seine Konfession bis zu seinen Denkstrukturen. Manchmal erschraken wir auch über die Fremdheit des anderen und hatten heftige Auseinandersetzungen. Wir versuchten, uns in dieser Phase nicht unter Druck zu setzen, was wir denn nun alles gemeinsam tun müssten. Wir wollten mit unserer tatsächlichen Entwicklung Schritt halten. So wurden wir langsam unserer Entscheidung füreinander sicherer. In dieser Zeit wurden uns die Voraussetzungen für das Wir bewusst. Erstens: „Ohne Ich kein Du, kein Er, keine Sie usw. Nichts ist, wo nicht Ichs sind“ (KURT MARTI). Ohne Entwicklung der eigenen Persönlichkeit kann ich mich nicht mit dem Anderen zum Wir verbinden. Zweitens wurde uns bewusst, dass das Du immer ein eigenständiger Mensch sein wird, nie nur eine harmonische Ergänzung meines Ichs.
Wir fingen an zu planen, wie wir das Leben gemeinsam gestalten wollten. Wir hörten aber gleichzeitig in uns selbst die misstrauische Stimme: „Wir können doch heute nicht wissen, ob wir in zehn Jahren noch Zusammenleben wollen - so, wie sich ein Mensch im Laufe seines Lebens verändert ...“ Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob wir von allein den Mut zum Heiraten gehabt hätten. Obwohl wir es eigentlich wollten, hätten wir es vielleicht nicht gewagt. Der entscheidende Anstoß kam aus unserem Glauben an Gott.
Nach Aussage der Bibel hat er Mann und Frau mit der Fähigkeit zu lieben geschaffen und der Liebesbeziehung zwischen ihnen die Form einer lebenslangen, engen und öffentlichen Gemeinschaft gegeben. Das heißt für uns: Jeder darf wissen, dass wir für immer zusammengehören. Wir brauchen keinen Bereich aus unserer Gemeinschaft auszuklammern. Wir brauchen nicht die Möglichkeit offen zu halten, uns wieder zu trennen. Wir glauben, dass Gott uns hilft, unsere Ehe zu gestalten. Als Schöpfer hat er uns die Fähigkeit gegeben zu lieben, nämlich uns am Partner zu freuen, geschenktes Vertrauen nicht zu missbrauchen, das Glück des anderen als unser eigenes zu erleben.
Durch unseren Egoismus ist diese Fähigkeit verschüttet. Neuen Zugang zu Gottes reicher Liebe bekommen wir aber, wenn wir Jesus Christus in unser Leben aufnehmen, der den Egoismus überwunden hat. So ausgestattet, können wir das Haus unserer Beziehung bauen. Dabei ist das, was uns zum ersten Mal sagen ließ Ich liebe dich, die „Aktivierungsenergie“, mit der wir beginnen können.

Als Stefan und ich uns kennen lernten, dachte ich, ich hätte die Liebe meines Lebens gefunden. So verliebt war ich noch nie. Ich war damals schon seit einiger Zeit Christin, und es war mir deswegen gleich zu Anfang wichtig, mit Stefan über Glauben und Gott zu sprechen. Er erzählte mir viel über sein Engagement in der Jungen Gemeinde1 und sagte mir auch, dass Gott für ihn wichtig sei. Ich war vollkommen glücklich: ein so wunderbarer Mann und auch noch mit christlichem Hintergrund, was wollte ich mehr.
Wir waren drei Jahre zusammen, und ich verbinde sehr viele schöne Erinnerungen mit dieser Zeit. Aber es zeigte sich in Abständen immer wieder, dass wir uns über den Glauben lange nicht so einig werden konnten, wie ich mir das gewünscht hatte. Als ich zum ersten Mal in seiner Jungen Gemeinde war, merkte ich schnell, dass dort Bibel lesen, beten oder die lebendige Gemeinschaft mit Gott überhaupt nicht wichtig waren. Das Gruppenerlebnis stand im Vordergrund, und Gott war mehr ein Lückenfüller. Als ich genauer nachfragte, waren alle, einschließlich Stefan, davon überrascht, dass ich mich so anstellte. Und was für mich das Schlimmste war: Stefan stellte sich erst nach langem Zögern auf meine Seite.
Stefan und mir war es wichtig, Gedanken und Gefühle in allen Bereichen zu teilen. Wir führten eine sehr glückliche Beziehung, teilten viele Hobbys und Erlebnisse und waren auch nach drei Jahren immer noch genauso ineinander verliebt wie zu Anfang. Aber wenn es um Glaubensfragen ging, erstarb das Gespräch meist sehr schnell. Lange erschien mir das nicht so gravierend, aber mit der Zeit geschah es immer häufiger, dass ich ihm etwas erzählte oder ihn etwas fragte und er einfach nicht verstand, um was es mir ging. Das betraf eigentlich alle geistlichen Bereiche: sei es, dass ich versuchte, eine verfahrene Situation aus christlicher Sicht zu beleuchten oder eine für mich drängende Frage von der Bibel her zu beantworten: Stefan schwieg dazu.
Er sagte immer wieder, dass er mir da nicht helfen könne, weil er sich damit noch nicht beschäftigt hätte. Ich erwartete nicht, dass er mir 100- prozentige Lösungen bieten könnte, aber ich begann, mich zu fragen, warum er mir /u keinem Bereich des Glaubens je irgendetwas erzählte. Auch das gemeinsame Gebet hatte ich mir immer gewünscht oder überhaupt irgendwelche gemeinsamen Punkte in unserem geistlichen Leben. Stefan sträubte sich jedoch sehr energisch
gegen Anfragen in diese Richtung, und ich muss zugeben, dass ich mich nach einiger Zeit von dieser Vermeidungshaltung anstecken ließ. Ich ging nur noch selten in den Gottesdienst und schob Gott auch aus meinem alltäglichen Leben immer weiter hinaus, weil ich Stefan nicht verlieren wollte. Die ganzen Glaubensfragen erschienen mir nicht mehr so wichtig. Ich sagte mir immer wieder, dass jeder Mensch seine eigene Art Glauben zu leben hätte und dass ich dazu fähig sein müsste, das zu akzeptieren. Allerdings kam es doch einige Male vor, dass ich Stefan deswegen große Vorwürfe machte. Meistens dann, wenn Gott mir begegnet war und ich nach einer begeisterten Erzählung meines Erlebnisses auf großes Unverständnis traf. Nach einer erneuten Auseinandersetzung stellte Stefan klar, dass diese die letzte gewesen sein müsse, weil er diese Vorwürfe nicht ertragen könne. Im Nachhinein weiß ich, dass ich Druck ausgeübt habe, wo ich mein Leben konsequent auf Gott hätte ausrichten müssen, und dass ich nicht nur mir selber alles viel schwerer gemacht habe, sondern auch im Umgang mit Stefan sehr schuldig geworden bin.
Letzten Endes kam es dann noch einmal zu einer Auseinandersetzung über Gott und den Glauben und damit zur Trennung. Voraus schicken möchte ich noch, dass in den zwei Monaten vor der Trennung für mich ganz klar feststand, dass sich in der nächsten Zeit entscheiden musste, ob wir heiraten oder nicht, da ich unsere Beziehung sonst als unehrlich empfunden hätte. Und ich denke, auch Stefan machte sich in dieser Hinsicht Gedanken, obwohl er, anders als ich, der Ansicht war, dass man auch ohne Heirat Zusammenleben könne. Ich hatte Gott in dieser Zeit sehr oft um ein klares Zeichen gebeten.
Zum Streit kam es nach einer Semesterendrüste meiner SMD-Gruppe. Ich hatte Stefan häufig zu SMD-Veranstaltungen eingeladen. Weniger, um ihn geistlich zu beeinflussen, sondern weil ich mich gefreut hätte, wenn er die Leute kennen gelernt hätte, die ich so mochte. Aber er hatte diese Einladungen zunehmend schroffer abgelehnt. Die Rüste war für mich ein geistliches Höhenflugerlebnis. Ich hatte Gott so lange schon irgendwie aus dem Blick verloren und auf dieser SMD-Rüste erfüllte er mich plötzlich wieder ganz mit seiner Gegenwart. Und ich hatte dort zwei sehr tiefe Gespräche mit Männern unserer Gruppe. Als ich nach Hause kam, war der beherrschende Gedanke in mir: „Warum kann ich mit Stefan nicht so reden und beten?“ Und dieser Gedanke ließ mich nicht mehr los.
Als ich Stefan das nächste Mal traf, konnte ich nur damit herausplatzen. Und das war dann der Anfang vom Ende. Genau das habe er befürchtet, sagte Stefan, ich sei immer so anders, wenn ich auf einer Freizeit mit anderen Christen gewesen wäre, und jedes Mal habe er mich weniger verstanden. Und als ich ihm voller Freude von den Gesprächen erzählte, warf er mir „geistliches Fremdgehen“ vor. Ich würde ihn mit anderen in der SMD betrügen, und er wisse schon, warum er nie mitkommen wollte. Jetzt weiß ich, dass er mit diesen harten Sätzen genau den Punkt getroffen hatte. Wir versuchten noch eine ganze Woche lang, unsere Beziehung zu retten. Aber es ließ sich nicht ändern: Ich wollte Gott als Mittelpunkt in meinem Leben und in unserer Beziehung. Mir war wieder klar geworden, dass ich Gott meine ganze kompromisslose Hingabe schenken wollte. Stefan sagte immer wieder, dass Gott für ihn zwar wichtig, aber nur ein Faktor von vielen sei. Und dass er sich schon lange denken würde, dass er ohne Gott wahrscheinlich viel besser zurecht käme. Am schlimmsten war für mich, als ich realisierte, dass Stefan einfach nicht konnte. Seine Beziehung zu Gott sah komplett anders aus als meine, und er wollte und konnte nichts daran ändern. Aber ich konnte mich auch nicht mehr auf einen Kompromiss einlassen. Obwohl wir einander so lieb hatten, war diese Kluft nicht zu überwinden.
Während ich das schreibe, spüre ich wieder den Schmerz, der mir damals fast das Herz zerriss. Eine ganze Woche lang schlief ich kaum, ich war wie „von Sinnen“, und ich weiß, dass es Stefan genauso ging. Aber in den Monaten danach hat sich mein Gott so gnädig meiner angenommen, wie nur er es vermag. Ich bin fast direkt nach der Trennung als Köchin auf eine Norwegenfreizeit mitgefahren, und Gott hat dort mit ganz viel Sanftheit und Liebe angefangen, meine Wunden zu heilen. In den darauffolgenden Wochen hat er mir immer dann Gespräche, Freunde, Einladungen oder einfach seine Gegenwart geschenkt, wenn ich vor Einsamkeit kurz vor dem Verzweifeln war. Und er hat mich getragen, als mir Stück für Stück klar wurde, dass sich mit einem Schlag meine ganzen Erwartungen an die Zukunft zerschlagen haben. Und in dieser Zeit wusste ich trotz allem Schmerz ganz genau, dass meine Entscheidung die richtige gewesen war.
Ich habe Freundinnen, die als Christinnen mit Nichtchristen zusammen sind und die mir sagen, dass nur Liebe errettet und dass ihre Liebe diese Männer vielleicht zu Gott führt. Und ich bin auch Menschen begegnet, die mir vorgeworfen haben, dass ich Stefan wohl nicht genug geliebt habe, sonst wäre ich trotz dieses Unterschiedes bei ihm geblieben. Ich kann noch nicht einmal sagen, ob Stefan Christ ist oder nicht. Aber ich weiß, dass ich Gott mit aller Kraft in meinem ganzen Leben will, auch in meiner Liebe zu einem anderen Menschen. Ich konnte keinen Mann heiraten, mit dem ich vielleicht nie meinen Glauben hätte teilen können. Und ich habe gewusst, dass Gott von mir jetzt diese Entscheidung für ihn wollte, dass er Gehorsam verlangt. Er ist mir in dieser Situation wichtiger geworden als alles andere.
Vor einem halben Jahr hat Gott mir eine neue Beziehung geschenkt. Eine Beziehung, in die ich mit beträchtlichen Ängsten gegangen bin. Ängste vor einem erneuten Zerbrechen und Ängste davor, dass ich vielleicht mit dem Herzen noch zu sehr bei Stefan bin. Aber Gott hat mir diese Ängste nach und nach genommen.
Matthias und ich wissen, dass Gott uns zueinander geführt hat. Und mit Matthias zusammen kann ich jetzt auch beten und über Gott und unseren Glauben sprechen. Wir haben uns beide bewusst entschieden, unser gemeinsames Leben ganz mit Gott zu leben. Wir können unsere Zweifel miteinander teilen, und wir können die Freude über Gott miteinander teilen. Das ist ein riesengroßes Geschenk. Gott geht einen guten Weg mit uns, und wir dürfen das beide gemeinsam immer wieder erleben.

Man hat mich gebeten, über eine Erfahrung zu berichten, die vermutlich auch mancher Christ macht und die in das Bild eines von Gott geführten Lebens nicht passen will: die Erfahrung einer zerbrochenen Beziehung.
Unsere Freundschaft begann im Jugendbibelkreis unserer Gemeinde, der sich als gemischter Kreis nach der Konfirmation gebildet hatte. Er war damals für eigentlich alle Teilnehmer ein Stück Zuhause. Und nach einer gewissen Zeit entwickelten sich mehrere Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen, so auch unsere. Ganz langsam begann das bei meinem Freund und mir, wir waren gern zusammen, konnten bei den Gesprächen kein Ende finden - wie das eben so läuft. Ich denke, dass ich damals diese Beziehung stärker forcierte als er, ich wollte sie und zog ihn ein Stück mit.
Meine Schulzeit endete ein Jahr früher als seine, so dass es Abschied nehmen hieß. Da mein Studienort sehr weit entfernt lag, sahen wir uns recht selten, schrieben Briefe und freuten uns auf die Semesterferien. Auch als er mit dem Studium begann, waren wir weiter durch große Entfernung getrennt. Trotzdem entwickelte sich unsere Freundschaft weiter. Nach drei Jahren endlich konnten wir am gleichen Studienort studieren und erlebten eine sehr intensive Zeit zusammen, in der wir uns auch verlobten. Als mein Studium sich dem Ende zuneigte, ergab es sich natürlich, dass wir über das Heiraten nachdachten. Wir beschlossen, vor dem Beginn der zweiten Ausbildungsphase bei mir zu heiraten (das hieß in etwa einem halben Jahr), und teilten das auch den Eltern mit.
In den letzten Semesterferien vor meinem Abschluss befand ich mich bei meinen Eltern, und wir telefonierten wie gewohnt miteinander. Und bei einem dieser Telefongespräche spürte ich, dass etwas sehr Entscheidendes nicht in Ordnung war. Ich fuhr so schnell wie möglich zu ihm. Er eröffnete mir, dass unsere Beziehung nach Erkenntnissen, die er über sich gewonnen habe, so nicht weitergehen könne. Für mich drohte eine Welt zusammenzubrechen. Wie einen Strohhalm hielt ich die Hoffnung fest, dass sich alles doch wieder einrenken könnte. Ich war bereit, ziemlich viel zu investieren. Aber er war dazu nicht bereit, und so zerbrach unsere Beziehung nach acht Jahren, ein halbes Jahr vor unserer Hochzeit.
Für mich zerbrach damit die Welt, in der ich acht Jahre lang zunehmend intensiv gelebt hatte. Ich hatte das Gefühl, vor dem Nichts zu stehen. Ich war es doch so gewohnt, mein Leben „zu zweit“ zu gestalten und zu planen - wie sollte das plötzlich allein gehen? Aber schlimmer noch waren der Schmerz und die Beschämung über dieses Ende. Ich hatte ihn doch geliebt - und jetzt dieser Bruch! Hatte ich mich selbst so sehr getäuscht? Wie hatte er mich so täuschen können? Hatten wir uns nicht in der Gewissheit verlobt, die Heirat beschlossen, dass Gott uns zusammenstellt? Hatten wir nicht regelmäßig gebetet, nach Gottes Willen gefragt? Was war da falsch?
In den ersten Tagen nach diesem Gespräch war ich nicht in der Lage zu beten. Ich konnte dieses Geschehen in mein Leben mit Gott nicht einordnen. Sehr dankbar bin ich, dass damals Freunde für mich vor Gott einstanden und einfach liebevoll da waren. Die erste Zeit lebte ich wie betäubt. Jedes Nachdenken schmerzte entsetzlich. Und doch spürte ich, dass Gott mir auf eine Weise nahe war, wie ich sie noch nie erlebt hatte.
Als ich etwas ruhiger geworden war, begann ich, meine alten Tagebuchaufzeichnungen zu durchforsten. Vielleicht ließ sich daraus irgendein Schlüssel zur Einordnung, zur Erklärung finden. Hierbei fiel mir auf, dass mir trotz der Länge unserer Freundschaft die Entscheidung zur Heirat nicht leicht gefallen war. Und die Tagebuchaufzeichnungen drückten eigentlich bis zum Schluss eine gewisse Unruhe über dieser Entscheidung aus. Trotz ständigem Bitten darum hatte ich keinen wirklichen Frieden von Gott darüber bekommen. Ganz langsam dämmerte in mir die Erkenntnis auf, dass Gott mir durchaus schon mehrere Hinweise darauf gegeben hatte, dass diese Beziehung für uns beide nicht gut sei.
Ich erinnere mich zum Beispiel noch sehr gut daran, dass mir in der Tageslese ein Vers ins Auge gefallen war, den ich mir im ersten Augenblick als Trauspruch vorstellen konnte. Mose sagt zu Gott: „Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf.“ Aber schon im nächsten Moment hatte ich diesen Vers wieder verworfen. Was sollte der als Trauspruch? Jetzt aber wurde mir deutlich: Gott hatte mich darauf hinweisen wollen, dass sein Angesicht auf diesem Weg nicht vorangehen würde. Aber das hatte ich nicht wahrhaben wollen. Es wurde mir klar, dass ich diese Beziehung gewollt hatte, nicht Gott. Und ich war nicht wirklich bereit gewesen, auch ein Nein Gottes zu akzeptieren. Immer hatte ich nur Gottes Bestätigung für das Ja gesucht, für das Nein war ich taub gewesen. Gott hatte weiter gesehen. Diese Beziehung wäre für uns nicht gut gewesen. Und ich begann zu ahnen, dass Gott mich aus Liebe zu mir vor dieser Beziehung hatte bewahren wollen. Da ich auf seine Hinweise nicht hören wollte, musste er sie so brutal zerbrechen.
Im Rückblick musste ich mir zudem sagen: Du hast fünf Jahre studiert, fachlich viel gelernt, aber persönlich und geistlich bist du eigentlich nicht weitergekommen. Da du in diesem entscheidenden Punkt nicht bereit warst, wirklich Gottes Willen zu tun, konnte er dir auch in anderen Dingen nichts sagen, konnte dein wachsendes Wissen über sein Wort keine Umsetzung im Alltag, konnte das falsche Verhalten keine Korrektur erfahren. Zunehmend wurde mir bewusst, dass mich dieser eigene Weg Gott gegenüber und auch im Verhältnis zu anderen blockiert hatte. Diese Erkenntnis beschämte mich sehr. Doch ich durfte erleben, dass Gott mir vergab. Er schenkte mir einen neuen befreiten Anfang in der Beziehung zu ihm.
Trotzdem war damit die Wunde nicht sofort verheilt. Aber der Heilungsprozess hatte begonnen. Und ich durfte erleben, wie Gott mich in diesem Prozess Schritt für Schritt weiterführte. Froh war ich, dass das Ende des Studiums einen Ortswechsel mit sich brachte, sodass ich auch äußerlich neu anfangen konnte. Zunächst musste ich wieder lernen, allein zu leben, dazu noch im beginnenden Berufsalltag, ohne schützenden SMD-Hintergrund. Meinen Beruf lernte ich kennen und lieben, sowohl mit seinen Anforderungen und Schwierigkeiten als auch mit seiner Bestätigung, Freude und Anerkennung.
Intensiv bemühte ich mich um geistliche Gemeinschaft, vergeblich am Anfang in der Gemeinde, dann mit Erfolg im CVJM, später begann nach vielen entmutigenden Anläufen ein Mini-Hauskreis in der Gemeinde. Ich aktivierte mein Hobby, die Geigerei, wieder neu in einem Orchester, versuchte in einer Gymnastikgruppe Anschluss zu finden. Ich verbot es mir, mir einen Fernseher zu kaufen, um im Bemühen um neue Freunde nicht zu erlahmen. Ich lernte, auch einsame Stunden und Wochenenden zu füllen. Plötzlich hatte ich sehr viel Zeit zum Gebet, zur Verarbeitung auch all der neuen Erfahrungen im Beruf, Zeit für andere. Neu lernte ich es schätzen, meine Zeit ganz allein einteilen zu können, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Und so baute ich mir langsam einen neuen Lebensbereich auf, und die Wunde begann zu heilen.
Aber ein entscheidender Schritt geschah fast ein Jahr später auf einer Silvesterfreizeit. Im Jahresrückblick brach die Wunde noch einmal so richtig auf. Gottes Liebe zu mir hatte ich in den vergangenen Monaten langsam wieder sehen gelernt, aber eines konnte ich noch nicht: meinem ehemaligen Verlobten wirklich vergeben, dass er die Freundschaft beendet und mich doch so getäuscht hatte. Ich wusste, dass sich in mir in Gedanken daran mein Stolz sehr aufbäumte. Und solange das so war, musste die Wunde immer wieder aufbrechen. Gott zeigte mir, dass eine wirkliche Heilung nur möglich war, wenn ich diesen Stolz loslassen und vergeben konnte. Er schickte mir eine Freizeitteilnehmerin in den Weg, vor der ich das aussprechen konnte und die mir von Gott her half, vergeben zu können. Das war wohl der letzte entscheidende Schritt auf dem Weg zur Heilung.
Im Rückblick bin ich sehr dankbar, dass Gott mir gerade in diesem schmerzhaften Erlebnis seine Liebe zeigte und mich wieder zu einer intensiven Beziehung zu sich geführt hat. In den folgenden Jahren durfte ich erleben, dass er mich führte und mein Leben reich beschenkte durch seinen Frieden - auch ohne Partner. Gott ließ mich gerade im Alleinsein reifen und lehrte mich die völlige Abhängigkeit von ihm und das Vertrauen in seinen guten Weg mit mir. So lernte ich, mein Leben als Ledige anzunehmen und dafür von Herzen dankbar zu sein.
Nach etwa vier Jahren durfte ich einem Menschen völlig neu vertrauen lernen. Das erlebte ich als Wunder; ich habe nicht gedacht, dass das möglich sei. Gott hat mich meinen Mann kennen und lieben lernen lassen. Und es ist mir auch noch sehr wichtig, dass dies nicht aus einem Gefühl des Defizits heraus geschah (so nach dem Motto: Dem Leben als Ledige fehlt eben das Entscheidende, und deshalb muss irgendwo ein Partner her), sondern in dem Bewusstsein gerade eines erfüllten und von Gott reich beschenkten Lebens allein als Ledige. Ich denke, nur von dieser Basis her konnte ich wirklich erfahren, was es heißt, wenn Gott zwei Menschen Schritt um Schritt zusammenführt.
Auch da gab es Schwierigkeiten und Hindernisse, aber sein Friede begleitete jeden Schritt. Unsere Beziehung wuchs in der großen Freiheit zu Ja und Nein. In jedem Schritt aufeinander zu lag eine entscheidende Ehrlichkeit, in jedem Schritt in großer Verbindlichkeit zugleich die Freiheit des Einander-Loslassens vor Gott. Gemeinsame Tage auf Freizeiten und Gespräche mit anderen halfen uns dabei.
Und entscheidend wichtig für uns beide erwies sich die Erfahrung der tiefen Ruhe und des Friedens, der von Gott her unser Miteinander bestimmte. Wir brauchten einander nichts vorzuspielen; keine Verlustangst, kein Streben nach Macht über den anderen bestimmte unser gegenseitiges Verhalten. Jeder wusste den anderen Gott verantwortlich. Und Gott würde seinen guten Weg mit jedem von uns gehen, getrennt oder gemeinsam.
Und so stehe ich staunend vor Gottes Güte. Er kann auch aus unseren Fehlern Gutes machen. Seine Güte ist es, dass wir nicht gar aus sind. Und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.